sophiensäle 2005; Regie: Kerstin Lenhart; Ausstattung: Michael Böhler
„Frauen“, schreibt Ingo G. (23) aus Darmstadt in einem Leserbrief an das JETZTmagazin der Süddeutschen Zeitung, „sollten keinen Alkohol trinken. Trinken sie Bier, werden sie albern, dann träge und sind dann zu nichts mehr zu gebrauchen. Bei uns Jungs ist das anders. Wir verstehen es, haben wir erst einige Biere getrunken, den Abend mit interessanten, tiefgreifenden Gesprächen ausklingen zu lassen.“ Ob Ingo G. recht hat?
„Bier für Frauen“ basiert auf in jahrelanger Trink- und Sprachrecherche gesammelten Gesprächsfetzen. Es ergründet die Formen von Kommunikation, die im Laufe massiven Bierkonsums entstehen und erzählt die Geschichte junger Frauen, wie sie von ihnen selbst im Suff erzählt wird.
BIER FÜR FRAUEN
(12 Anmerkungen der Autorin)
1.
DIE TEXTCHEF IST IMMER ANWESEND.
2.
HANDLUNGEN WERDEN EIFRIG IM HINTERGRUND BEGONNEN, DANN ABER WIEDER ABGEBROCHEN.
3.
ZUM FACKELZUG WIRD SICH FORMIERT, ER WIRD ABER WIEDER ABGEBLASEN, WEIL KEINE FACKELN DA SIND.
4.
DA ES SICH BEI ALLEN PERSONEN UM ZITATE HANDELT, KÖNNEN DIESE AUCH BELIEBIG AUSGETAUSCHT WERDEN.
5.
AUF DER BÜHNE DARF KEIN BIER GETRUNKEN WERDEN UND AUCH KEIN GELBES WASSER. ES DARF GAR NICHT GETRUNKEN WERDEN (ES HERRSCHT TRINKVERBOT). ES SOLL WAS ANDERES GEMACHT WERDEN, WAS IST EGAL.
6.
EGAL OB FRAUEN ODER MÄNNER, DIE ALS FRAUEN ODER FRAUEN VERKLEIDET SIND. DIE ANZAHL DER PERSONEN IST EGAL. ES KÖNNTE AUCH NUR EINE EINZIGE.
7.
HAT EINE EINE GROSSE HOLZGITARRE, SO SOLL SIE MIT IHR NICHT SPIELEN, SONDERN NUR DIE BEWEGUNGEN EINER LIEDERMACHERIN ODER EINES LIEDERMACHERS BIS KURZ VOR EINBRUCH DES GESANGS NACHAHMEN.
8.
SIND HOLZGITARREN ANWESEND, WIRD AUS DIESEN IM LAUFE DES STÜCKS EINE PYRAMIDE ERBAUT.
9.
ÄHNLICHKEITEN MIT REAL EXISTIERENDEN PERSONEN SIND REIN ZUFÄLLIG.
10.
FÄLLT DAS WORT „BECKS“, SO SOLL SOFORT ALLES STEHEN UND LIEGENGELASSEN WERDEN, UM DIE KINOWERBUNG NÄMLICHER FIRMA SO EXAKT WIE MÖGLICH NACHZUSPIELEN. DAS AUFSTELLEN EINER WINDMASCHINE IST HIERBEI VON VORTEIL.
11.
VERMUTETE HITS WIE ZUM BEISPIEL „BODY CONTROL“ ODER „IT’S TIME TO DANCE IT SEEMS LIKE“ SOLLEN ALS FETZEN ELEKTRONISCHER MUSIK, AUS DENEN MAN DEN GROSSEN HIT EVENTUELL SCHON HERAUSAHNEN KANN, AUSGETESTET UND ANGESPIELT WERDEN.
12.
DIESES STÜCK VERSUCHT SICH, DEM GROSSEN EGAL ANZUNÄHERN.
Uraufführung 23.09.2001
Staatstheater Mainz
Regie und Ausstattung: Christina Friedrich
Weitere Aufführungen (Auswahl):
2002
Wolfgang-Borchert-Theater, Münster
Regie und Ausstattung: Marcus Lobbes
mit Anja Bilabel, Heike Röttger, Imke Trommler, Philipp Sebastian
2004
Österreichische Erstaufführung am WUK, Wien
Regie und Bühne: Katrin Schurich
Sound: Christian Strasser, Michael Smulik
mit Hille Beseler, Julia Höfler, Katharina Schwarz
2005
freischwimmer festival
Sophiensäle, Berlin / Theaterhaus Gessnerallee, Zürich / Forum Freies Theater, Düsseldorf / Kampnagel Hamburg
Regie: Kerstin Lenhart
Bühne: Michael Böhler
mit Tilla Kratochwil, Anne Kessler, Stephan Thiel
ÜBERSETZUNGEN
Englisch von Regina Hellmich & Alex C. Mangold
Tschechisch von Zuzana Augustová: Pivo a ženy
PRESSESTIMMEN
Der Text feiert, was Frauen nicht zugesprochen wird: den totalen Suff und damit einhergehenden Verlust von Gefasstheit und gutem Geschmack.
"Von Alkohol keine Spur: Der Rausch, das war der Text, seine Melodie, sein Rhythmus und die Geschichten."
(Westfälische Nachrichten, 01.03.02)
"..weder platt noch moralisierend, sondern den Frauen zugewandt, hochgradig witzig und kunstvoll..."
(Die Glocke)