Wunsch und Wunder (2015)

Interview mit Felicia Zeller

1. Du hast bereits in verschieden Formaten Texte geschrieben. Was ist es, was dich an der Dramatik interessiert?

Bereits als Kind habe ich mir oft eine stotternde, verklumpte Version der Stücke, die ich gerade sah, vorgestellt. Das Stören der Handlung durch Sprachbarrieren. Das Hängenbleiben in der Absurdität des Sprechakts. Sprechen wollen, aber nicht sprechen können. Dieses Motiv liegt den meisten meiner Stücke zu Grunde. Es sind Alltagsopern, in denen ich gesammelte Sprachfetzen und Realitätspartikel zu einem fiktiven Sound abmische.

2. “Wunsch und Wunder” spielt in einer Fertilitätsklinik. Was motiviert dich, das Stück in diesem Umfeld stattfinden zu lassen?

In einer Fertilitätsklinik treffen Hoffnung und Technik aufeinander. Märchen und Machbarkeit. Pastellfarbene Kissen, Buddha-Statuen und Storchenmobiles treffen auf  die High-Tech-Methoden der Reproduktionsmedizin.

Eine private Fertilitätspraxis, in der ich zu Recherche war, bestand aus einem sehr langen, nicht enden wollenden Gang, von dem unglaublich viele Zimmer abgingen, ein Nebenzimmer schien in ein weiteres Nebenzimmer zu führen, das in ein weiteres Nebenzimmer zu führen schien, etc. das ist die eigentliche Regieanweisung für das Stück, ein Problem wird gelöst, ein neues dadurch generiert.

3. Der Fließtext wird auf besondere Art und Weise „interveniert“. Kannst du uns Näheres zum Aufbau des Textes berichten?

Manchmal geht ein Satz unmittelbar in den nächsten Tagen wird das Wetter schlechter. Man muss es so sprechen als wäre nichts. Es ist ein nahtloser Sprung. Zwei Sätze, die sich einen Mittelteil teilen, doch nur wenn die Befruchtung erfolgreich war, verschmelzen die Sätze wie Eizelle und Spermium. Neue Sätze entstehen, die ein neues Ganzes sind. Und gleichzeitig unregelmäßig, absurd und ungeplant.

4. Die Fruchtbarkeit ist ein Thema, das sich durch das Stück hindurchzieht, in dem die beiden Wörter, die es betiteln (Wunsch und Wunder), stets präsent sind. Warum ist es wichtig, heutzutage in Deutschland über Fruchtbarkeit zu sprechen?

Der unerfüllte Kinderwunsch ist ein sehr altes Motiv, findet sich in der Bibel und in deutschen Märchen. Früher half nur Wünschen oder ein Seitensprung, heute geht man zum Arzt. Im Stück geht es weniger um Fruchtbarkeit als um Machbarkeit und die damit verbundenen Gefühle: sowohl das Gefühl des Gemachtwordenseins, als auch das Gefühl des Machens, sowie der damit verbundenen Ohnmacht, es doch nicht so machen zu können, in einer Behauptung von Machbarkeitsdenken und Machbarkeitsversprechen.

5. Wunsch und Wunder ist dein jüngstes Werk. Worin unterscheidet es sich von deinen früheren Stücken?

Jedes Stück entfaltet seinen eigenen Sprachkörper, eine mobil-akustische Plastik, die ich mir beim Schreiben vorstelle und die sich, wenn es klappt, bei der Aufführung materialisiert.

Wunsch und Wunder enthält diese miteinander verwachsenen Sätze, ist also mehr ein Gewächs. „Kaspar Häuser Meer o Mis muy privados festivales mesiánicos“ ist ein Text, der versucht, sich selbst zu überholen. Es ist ein Motor, der durchdreht. „Gespräche mit Astronauten“ ist ein sehr kleinteiliger Text, die Partikel sind die kleinen Punkte eines mit Sternen übersäten Himmels.

http://www.edecchile.cl/entrevista-felicia-zeller-por-interdram/

Uraufführung am 16.01.2015

Staatstheater Saarbrücken

Inszenierung: Marcus Lobbes
Bühnenbild & Kostüme: Wolf Gutjahr
Video: Michael Deeg
Dramaturgie: Ursula Thinnes

Eingeladen zu den Mülheimer Dramatikertagen 2015

 

"Wunsch und Wunder"
beim Festival für Europäische Gegenwartsdramatik (EDEC) in Santiago de Chile, Szenische Lesungen, Konferenzen, 
28.09. - 04.10.2015
 http://www.goethe.de/ins/cl/de/sao/ver.cfm?fuseaction=events.detail&event_id=20592302


Übersetzungen
Spanisch von Monika von Moldovanyi de Goyeneche
Französisch von Ruth Orthmann: Le cabinet des désirs
Tschechisch von Jitka Jílková: Přání a zázraky